Wie viel Zweifel braucht der Glaube?
Jesus-Auferstehung: Spagat zwischen Religion und Wissenschaft
Ist Jesus auferstanden? Sich das vorzustellen, fällt vielen schwer. Den Jüngern ging es auch so. Sie haben Jesus verhaftet, gefoltert, gekreuzigt. So berichtet die Bibel die Geschehnisse von Karfreitag. Sie erzählt, wie er da hing. Stunde um Stunde. Dass der Himmel finster wurde und die Erde bebte. Dann starb Jesus. Ehe der Abend anbrach, wurde sein Leichnam vom Kreuz genommen. Er wurde in ein Grab gelegt, das man dann mit einem Stein verschlossen hat, wie es sich gehörte. Bitter, aber realistisch nachvollziehbar. Doch was dann erzählt wird, lässt Zweifel aufkommen: "Er ist auferstanden!", behaupten die Frauen und Männer, die am Sonntagfrüh am Grab gewesen waren.
Von Anfang an ist in der Bibel der Zweifel dabei. Besondere Berühmtheit hat der sogenannte ungläubige Thomas erlangt, einer der Jünger. Jesus hatte ihnen seine neue Welt gezeigt. Eine Welt des Friedens, der Liebe, der Gerechtigkeit. Eine Welt Gottes. Daran wollte Thomas mitbauen. Dieser gemeinsame Weg hatte nun durch den Tod am Kreuz ein jähes Ende gefunden.
Dass Jesus wieder da wäre – das wäre für Thomas wunderbar. Aber er lässt sich deswegen nicht für dumm verkaufen. Wie soll ein Toter wieder auferstehen? Das müsste ihm erst mal jemand beweisen. Zweifel ist ein guter Ratgeber. Er ist das Mikroskop, um der Lüge auf die Schliche zu kommen, und war schon für so manche Entdeckung der nötige Antriebsmotor. Der Zweifel am mittelalterlichen Weltbild hat letztlich zu der Erkenntnis geführt, dass sich nicht alles um uns dreht.
Thomas zweifelt. Er macht sich auf den Weg zu den anderen Jüngern. Sie haben von Anfang an alles gemeinsam erlebt und die Worte ihres Meisters aufgesogen wie ein Schwamm. Er hat von Gerechtigkeit gesprochen. Aber er hat nicht nur geredet, sondern geheilt. Er hat ein paar Brote und Fische verteilt, dass es für eine riesige hungrige Menschenmenge reicht. Wer nicht dabei war, kann es sich nicht vorstellen. Das alles hat die Jünger zusammengeschweißt. Ohne Jesus drohte diese enge Freundschaft zu zerbrechen.
Thomas klopft an die Tür, dort, wo die anderen Jünger sind. Sie lassen ihn eintreten. Was sind die alle euphorisch: "Jesus ist auferstanden! Wir haben ihn gesehen." "Nein, meine lieben Freunde", sagt Thomas, "so einfach ist das nicht. Das muss ich schon selbst sehen: die Löcher von den Nägeln in seinen Händen. Und anfassen will ich auch. Meine Hand muss die Wunde in seiner Seite fühlen!" Dort hatte der römische Soldat mit der Lanze zugestochen. Nun hätten sie alle miteinander streiten können über das, was sie gesehen haben wollen und was Thomas sich aber nicht vorstellen kann.
"Da kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte: ,Friede sei mit euch!‘ Dann sagte er zu Thomas: ,Leg deinen Finger hierher und sieh meine Hände an. Streck deine Hand aus und leg sie in die Wunde an meiner Seite. Sei nicht länger ungläubig, sondern komm zum Glauben!‘" (Joh 20,26–27)
Tja, Thomas ist überzeugt worden. Und ich? Glaube ich an die Auferstehung?
Es begeistert mich, was Jesus sagt und wie er gelebt hat. Die Liebe, die er gegeben hat. Die Achtung vor den Armen und Ausgegrenzten. Wie er sich Kranken zugewandt hat und die Vision einer besseren Welt auch in mein Herz malt. Aber die Auferstehung? Ich kann die Male in den Händen Jesu nicht prüfen und meine Finger nicht in seine Wunde legen. Mein Leben lang muss ich diesen Spagat zwischen Glauben und Wissen aushalten. Der grosse Theologe Karl Barth hat es einmal so formuliert: “Es gibt Dinge, die sind nur im Glauben erfahrbar”. Amen.
Textquelle: chrismon, April 2023