Liebe Gemeindemitglieder, Schwestern und Brüder in Christo,
wie immer findet ihr die Berichte über unsere beiden Abendmahlsgottesdienste am 13.08. und 27.08. inklusive der jeweiligen Videomitschnitte mit den Youtube-Links weiter unten.
Auch die Renovierungsarbeiten im Begegnungszentrum schreiten weiter voran (siehe Bilder unten). Mittlerweise ist auch das Treppenhaus durchgängig gespachtelt und neu gestrichen worden. Die Arbeiten im Zusammenhang mit der geplanten Auslagerung unserer Bibliothek sollten ebenfalls im September beginnen.
Unsere beiden Internetauftritte erfreuen sich mittlerweile großer Beliebtheit und werden immer häufiger besucht. An dieser Stelle ein herzliches Danke! an unseren ehrenamtlichen Webmaster Thorsten und die Redaktionsteams von Begegnungszentrum Pattaya: www.bzpattaya.com und www.egpattaya.com.
Die alljährliche „Sommerpause“ neigt sich dem Ende zu und nach und nach kehren unsere Zugvögel wieder nach Pattaya zurück. Traditionell beginnt der Zyklus unserer beliebten Abendveranstaltung im September. Am 16. September geht es los mit Tanz, Musik und guter Laune bei unserer „Oldie-Night im BZP“ (siehe Vorankündigung weiter unten, mehr Infos auf www.bzpattaya.com).
Noch ein Wort zu der privaten Informationsveranstaltung einiger leitender Mitarbeiter der Hauptabteilung III der EKD am 12.08.2023 im Thai Garden Resort. Es war lediglich 1 Mitglied unserer Gemeinde dort anwesend, ein deutliches Signal an die Initiatoren. Mangels Interesse sah sich die Delegation dann dazu berufen, eine Handvoll anwesender Nichtmitglieder über vermeintliche „Veränderungen“ in der Gemeinde zu informieren. Die dort zum wiederholten Male gemachten Aussagen, die Mitglieder der EGDST am Standort Pattaya hätten bereits eine eigene Gemeinde gegründet sind ebenso unwahr wie die Feststellung, die Mitglieder des KGRs aus Pattaya seien nicht mehr im Amt. Die Mehrheit des von EUCH gewählten und nach wie vor Amt befindlichen Kirchengemeinderates sah sich deshalb dazu genötigt, eine auf Kirchen- und Verwaltungsrecht spezialisierte Anwaltskanzlei mit der Wahrung der Interessen unserer Gemeinde zu beauftragen. Sobald eine verbindliche und juristische Klärung herbeigeführt sein wird, werden wir diese im Rahmen einer Gemeindeversammlung im BZP bekanntgeben.
Unabhängig davon geht das Leben im Begegnungszentrum und in unserer Gemeinde hier vor Ort wie gewohnt weiter. Allen Gemeindemitgliedern und Gästen des Begegnungszentrums wünschen wir einen “Herbstanfang” und unseren Zugvögeln eine gesunde und sichere Heimkehr nach Pattaya.
Bleibt gesund und behütet mit Gottes Segen auf all euren Wegen.
Eure Gemeindebrief-Redaktion
Unsere Gottesdienste im August
Thema der Predigt: Israel – ein von Konflikten gebeuteltes Land. Eine grauenvolle Geschichte, die Deutschland und Israel trennt und verbindet. Israel – Ursprung des Christentums, verachtet und idealisiert, bewundert und verfolgt. All diese Facetten spielen am „Israelsonntag“ eine Rolle. Er erinnert seit dem 16. Jahrhundert an den Gedenktag der Zerstörungen des Jerusalemer Tempels. Doch während in der Vergangenheit die Überlegenheit des Christentums demonstriert wurde, stehen heute die guten Beziehungen zwischen Juden- und Christentum im Vordergrund. So kann der Israelsonntag auf zwei verschiedene Weisen begangen werden: Als Gedenktag der Zerstörung Jerusalems oder als Tag der Besinnung auf die Verbundenheit zwischen Christen und Juden. Denn vieles von dem, was Jesus gelehrt hat, ist nur aus dem Judentum zu verstehen: So die Frage nach dem höchsten Gebot oder die Bedeutung des Gesetzes. Das Volk Israel spielt eine herausragende Rolle in der Geschichte Gottes mit den Menschen.
Youtube-Link zum Gottesdienst:
Thema der Predigt: In der Bibel stehen wunderbare Geschichten: Blinde können wieder sehen, Taube wieder hören, Stumme wieder sprechen. Gott kann Augen und Ohren öffnen, für sein Wort und den Blick in die Welt. Manchmal verstumme ich vor dem Leid anderer Menschen. Wir Menschen stehen manchmal wie gelähmt vor den Herausforderungen in dieser Welt. Und manchmal kann man nicht anders, als die Augen vor den schrecklichen Bildern, die täglich aus dem Fernseher oder Internet auf mich niederprasseln, zu verschließen. Und unsere Ohren werden taub, weil wir die Klagen der Verzweifelten nicht mehr ertragen können. Von Jesus, der Menschen die Ohren geöffnet und Kranke geheilt hat, der von der Vision einer Welt ohne Leid, von dem Ende jeder Ungerechtigkeit sprach, wollen wir heute reden und hören. Und von Menschen, die von seinem Beispiel angeregt, andere aus der Erstarrung holen. Menschen werden auf vielfältige Weise von Jesus berührt und folgen seinem Beispiel und haben dadurch Anteil an Gottes Reich.
Youtube-Link zum Gottesdienst:
Im Anschluss an den Gottesdienst am 27.08.2023 erfreuten sich die Teilnehmer des Gottesdienstes an einem von unserem Gemeindemitglied Sakpan Booneiam gespendeten Küchenbuffet. Sakpan wurde kürzlich zum Stabsleiter für diplomatische und internationale Beziehungen im Tourismusministerium in Bangkok befördert und ist künftig im Verwaltungsrat (siehe Bericht auf bzpattaya.com) die personelle Schnittstelle zu den thailändischen Behörden. Vergelt’s Gott, lieber Sakpan!
RENOVIERUNG DES BZP SCHREITET WEITER VORAN
Mittlerweile konnte die Renovierung des Treppenhauses unter den wachen Augen unseres ehrenamtlichen Projektleiters Bernhard ebenfalls abschlossen werden. Die Wände und das Geländer wurden vom Erdgeschoss bis hinauf in den 3. Stock verspachtelt und mit einem frischen Anstrich versehen.
Zwei weitere Deckenstrahler illuminieren ab sofort während unserer Gottesdienste das Kreuz über dem Altar sowie das geschnitzte Heilige Abendmahl.
Im Bereich unserer Restauration, die von Khun Jack betrieben wird, haben wir an den vier Eckpunkten jeweils einen Deckenlautsprecher installiert, so dass bei künftigen Veranstaltungen für eine angenehmere und gleichmäßigere Beschallung sichergestellt ist.
Zwei weitere Projekte sind geplant und sollen nach Möglichkeit noch vor Beginn der Hauptsaison realisiert werden: die Renovierung der drei Sanitärzellen im Erdgeschoss und die Verlagerung der Bibliothek nach außen links neben dem Eingang.
WAS IST EIGENTLICH DAS REFORMATORISCHE AN DER REFORMATION ?
Zweiter Teil: Kirche und Frömmigkeit
Bis heute sind Kirche und Frömmigkeit im evangelischen Raum durch die Neuansätze der Reformation bestimmt. Ausschlaggebend war Luthers Betonung der Heiligen Schrift. Sie wurde für den Reformator zur ausschließlichen Autorität. Natürlich hatte für Luther auch zuvor die Bibel im Mittelpunkt seiner Beschäftigung gestanden. Als er z.B. im Jahre 1512 seinen Doktoreid ablegte, schwor er, die Heilige Schrift „treulich und lauter zu predigen und zu lehren“. Und er begann seine Lehrtätigkeit, die er fortan an der Universität Wittenberg, der Leucorea {vom Griechischen λευκός und ὄρος, „weißer Berg“ → Wittenberg}, versah, mit Vorlesungen über das Alte und das Neue Testament. Am Anfang stand 1513-1515 die Auslegung der Psalmen, gefolgt 1515/16 von der Römerbriefvorlesung. Vorerst blieb dabei das kirchliche Lehrsystem, das die Schrift unter Rückgriff auf die großen mittelalterlichen Kommentare auslegte und den sog. vierfachen Schriftsinn {quatuor sensus scripturae: Bibelstellen lassen sich demnach nicht nur buchstäblich als konkrete historische Aussagen verstehen, sondern können auch als allegorische Aussagen über die Glaubenswirklichkeit, moralisch als Handlungsanweisung für den Glaubenden oder anagogisch als Ausdruck der Hoffnung gelesen werden} praktizierte, noch unangetastet. Aber Luthers neuer reformatorischer Zugang deutete sich bereits an. Vor allem seine Arbeit am Römerbrief des Paulus brachte ihn dazu, scholastische Auslegungsmuster endgültig abzustreifen und in erster Linie auf die biblische Terminologie, den eigentlichen Schriftsinn (sensus litteralis), zu hören. Dies war durch den Bibelhumanismus, den Luther während seiner Studienzeit in Erfurt kennengelernt hatte, vorbereitet. Denn der humanistische Ruf „zurück zu den Quellen“ bedeutete, dass man das Wort Gottes in den ältesten vorhandenen Überlieferungen wiederentdeckte und nicht mehr über die Kirchenväter und großen Exegeten des Mittelalters, sozusagen aus zweiter Hand, vermittelt bekommen wollte.
Hinzu kam, dass Luther den Text mit Bezug zur eigenen Existenz las und verstand. Sein neues, befreiendes Verständnis von der Gerechtigkeit Gottes, das er an seiner intensiven Lektüre des Römerbriefs gewann, ist auf diese relational-existenzielle Bibelhermeneutik zurückzuführen. Fortan wurde die Lehre von der Rechtfertigung des Menschen allein aus der Gerechtigkeit schenkenden Gnade Gottes heraus zum Kernstück der Reformation generell. Und die Heilige Schrift wurde für Luther, wie für alle Reformatoren in Europa, zur obersten und einzigen Autorität. Auch in den 95 Thesen deutet sich dies bereits an. Zwar griffen die Thesen eigentlich weder Struktur noch Theologie der alten Kirche an, aber an einigen Stellen finden sich Aussagen, die auf die alleinige und höchste Autorität des Evangeliums verweisen. So heißt es z.B. in These 55: „Die Meinung des Papstes ist unbedingt die, dass, wenn der Ablass, der ein denkbar geringes Gut ist, mit einer Glocke, mit einer Prozession und Gottesdienst gefeiert wird, das Evangelium, das das höchste Gut ist, mit hundert Glocken, mit hundert Prozessionen, mit hundert Gottesdiensten gefeiert werden soll.“ Oder in These 62: „Der wahre Schatz der Kirche ist das Allerheiligste Evangelium der Herrlichkeit und Gnade Gottes.“ Dieser Perspektivenwechsel weg von kirchlichen Autoritäten hin zur Autorität der Bibel war zugleich ein Normenwechsel. In letzter Konsequenz bedeutete dies, dass nicht mehr die kirchliche Ämterhierarchie mit dem Papst an ihrer Spitze darüber befand, was im Leben der Kirche und des Einzelnen gelten sollte, sondern eine historische Quelle, die Heilige Schrift, die man mit dem Wort Gottes, dem Evangelium, identifizierte.
Dies rückte fortan die Predigt in den Mittelpunkt des Gottesdienstes, der bis dahin als lateinische Messe mit Schwerpunkt auf der Eucharistie gefeiert wurde. Diese Aufwertung des gesprochenen Worts ging einher mit einer Abwertung der Riten und Zeremonien. Sie galten der Reformation, gegenüber der zentralen Verkündigung des Evangeliums, als Äußerlichkeiten, mit denen ein freier Umgang gestattet sei. Zwar erstellte Luther mit seiner Deutschen Messe relativ spät (1525/26) eine liturgische Neuordnung des evangelischen Gottesdienstes, aber die volkssprachliche Predigt hatte sich bis dahin bereits zu einem reformatorischen Kommunikationsmedium ersten Ranges entwickelt. Während Luther und seine Gesinnungsgenossen an der kirchlich überlieferten Perikopenordnung festhielten, löste sich Zwingli in Zürich auch davon. Er führte die sogenannte „lectio continua“, d.h. die fortlaufende Auslegung der biblischen Bücher in den Gottesdienst ein, was man später auch in Genf praktizierte.
Die Reformation hatte also einen Perspektiven- und Autoritätenwechsel vollzogen. Nicht das Papsttum, sondern die Heilige Schrift galt als oberste Norm. Dass sich dies auch auf die kirchlichen Strukturen auswirkte, wurde vor allem durch die Leipziger Disputation von 1519 öffentlich. Eigentlich hatte die Disputation zwischen dem Ingolstädter Professor Johannes Eck und dem Wittenberger Professor Andreas Bodenstein von Karlstadt stattfinden sollen. Aber da sich die von Eck für die Disputation aufgestellten Thesen „contra novam doctrinam“, d.h. gegen die neue Lehre, richteten und damit auf die reformatorische Theologie Luthers zielten, meldete sich dieser natürlich zu Wort. Zur Debatte stand zunächst der päpstliche Primat, den Eck auf göttliches Recht zurückführte. Für Luther dagegen, der auf Christus als das Haupt der Kirche verwies, ließen sich aber weder das Papsttum noch die beanspruchte Vorrangstellung auf ein „ius divinum“, ein göttliches Recht, das ja in der Heiligen Schrift verbürgt sein müsste, zurückführen. Für ihn galten sie als Produkte lediglich des menschlichen Rechts. Diese Auffassung hatte weitreichende Konsequenzen. Denn damit wurde zugleich der verpflichtende bzw. heilsrelevante Charakter zweifelhaft, den man bisher kirchlichen Geboten oder dem Gehorsam dem Papst gegenüber beigemessen hatte. Außerdem stellte dies die hierarchische Ämterstruktur der Kirche in Frage, zumal Luther auch die aus göttlichem Recht hergeleitete Höherstellung des Episkopats bestritt. Selbst der von Eck postulierten Irrtumslosigkeit der Konzilien widersprach Luther. Für ihn stand fest, dass keine kirchliche Instanz etwas für heilsnotwendig erklären könne, wofür eine biblische Begründung fehlte. Luther hatte also die Autorität von Papst, Episkopat und Konzilien in Zweifel gezogen und ihnen den Primat der Heiligen Schrift entgegengehalten. Die wahre Kirche, d.h. die Gemeinschaft der Heiligen unter dem alleinigen Haupt Christus, war in den Augen Luthers unter diesen Strukturen regelrecht in Gefangenschaft geraten.
Diese Gefangenschaft betraf in erster Linie die Sakramente, mit Hilfe derer die Kirche bzw. ihre Amtsträger – nach altem Verständnis – Heil vermittelten. Die Reformation aber verlangte, auch das Sakramentsverständnis an der Heiligen Schrift zu überprüfen. Luther tat dies zunächst nur vor dem Forum der Gelehrten, nämlich in einer lateinischen Schrift, die später zu den reformatorischen Hauptschriften gerechnet werden sollte: „De captivitate Babylonica ecclesiae. Praeludium“ {„Von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche“} von 1520. Schon Augustinus hatte das Sakrament als ein Zusammenkommen von Zeichenhandlung und Verheißungswort definiert, dem die Kirche im Laufe der Zeit eine Wirksamkeit aus dem bloßen Vollzug heraus beigemessen hatte. Dass Luther diese Komponenten nun an der Heiligen Schrift abprüfte, führte dazu, dass er nur noch jene Handlungen der Kirche als Sakramente gelten ließ, die von der Bibel her belegbar waren, und auf eine von Christus selbst gestiftete Zeichenhandlung und ein damit verbundenes Verheißungswort zurückgeführt werden konnten. Nicht der menschliche Vollzug dieses Ritus, sondern der von Gott im Menschen gewirkte Glaube machte – so Luther – das Sakrament wirksam. Diese Neudefinition und der damit verbundene Wechsel von einer rituellen Feier zu einem vorwiegend geistlichen Geschehen veränderten das Leben der Kirche und die Frömmigkeit des Einzelnen grundlegend. Denn von den traditionellen sieben Sakramenten blieben nur noch zwei übrig: Taufe und Abendmahl.
Die Reformation hatte damit begonnen, die Fundamente des traditionellen kirchlichen Heilsverständnisses in Frage zu stellen und von der Heiligen Schrift her neu zu bestimmen. Während sich am Taufritus rein äußerlich nichts änderte – die lutherische Reformation behielt sogar den schon altkirchlich bezeugten Exorzismus bei, die Reformierten dagegen schafften ihn ab – gewann die Feier des Abendmahls eine neue Gestalt. Die Verweigerung des Laienkelchs wies Luther als unbiblisch zurück. Zwar drängte er nicht auf sofortige Einführung der Kommunion mit Brot und Wein, da er die Heilsgabe des Abendmahls nicht in Abhängigkeit von der Austeilung des Kelchs sah, aber der Schriftbefund sprach eindeutig für eine Kommunion „unter beiderlei Gestalt“. Auch für die Wandlungslehre und alle damit verbundenen magischen Vorstellungen fand Luther in der Heiligen Schrift keine Anhaltspunkte. Sie wurde von allen Reformatoren abgelehnt. Allerdings entwickelte man innerevangelisch durchaus unterschiedliche Abendmahlsverständnisse und -praktiken. Zwingli und Luther stritten sich bekanntlich später über ein möglicherweise nur noch symbolisch zu verstehendes Geschehen. In reformierten Gegenden führte man zudem das Brotbrechen ein und schafften auch die im Luthertum beibehaltene Oblate ab. Gesamtreformatorisch lehnte man zudem das traditionelle Verständnis der Messe als Opferhandlung ab, was dieses Sakrament selbst zu einem guten Werk machte. Nach traditioneller Auffassung nämlich brachte der Priester mit den gewandelten Elementen auf dem Altar Leib und Blut Christi aufs Neue vor Gott als Opfer für die Sünden der Menschen dar, was im Spätmittelalter zu zahlreichen Messstiftungen auch für bereits Verstorbene geführt hatte, um über ein solches gutes Werk zu erwartende Sündenstrafen im Fegfeuer auszugleichen. Oft wurden dafür eigene Altäre errichtet und Messpriester angestellt. Das neue Sakramentsverständnis der Reformation und die daraus hervorgehende Kritik an der Messpraxis hatte daher nicht nur theologische Konsequenzen und spürbare Auswirkungen auf die Frömmigkeit und ihre rituellen Äußerungen, sondern sie hatte auch ganz konkrete Folgen für eben jenen Priesterstand, der durch dieses Stiftungswesen finanziert wurde und darin seine Existenzberechtigung hatte. Die Existenz der zahlreichen Messpriester stand jetzt auf dem Spiel.
Der dritte Teil des Vortrages, „Gesellschaft und Familie“, von Frau Prof. Dr. Dingel folgt in der Oktoberausgabe des Gemeindebriefes. Irene Dingel (*26.4.1956 in Werdohl, NRW) ist Kirchenhistorikerin und evangelische Theologin. Ihr Forschungsschwerpunkt liegt auf der Geschichte der Reformation und des konfessionellen Zeitalters. {Einfügungen der Redaktion}
ÜBER DEN TELLERRAND HINAUS. Zwei jüdische Anekdoten
Beurteilung
Fragt man einen Antisemiten, was er von den Juden hält, dann sagt der vermutlich etwa folgendes:
»Die Juden? Die Juden sind ein schreckliches Volk. Diese Leute sind nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht und glauben, etwas Besseres zu sein. Mit denen will ich nichts zu tun haben!« Fragt man denselben Mann dann jedoch nach einem ganz bestimmten Juden, zum Beispiel nach dem Chaim Zucker, dann sagt er wahrscheinlich: »Der Chaim Zucker? Ja, der ist wirklich eine Ausnahme. Der
Chaim Zucker ist ein Ehrenmann durch und durch.« Fragt man dagegen einen Juden zu demselben Thema, sagt der mit großer Wahrscheinlichkeit: »Die Juden sind das auserwählte Volk Gottes. Sie sind das Volk, das die meisten Nobelpreisträger hervorgebracht hat und der Menschheit mehr gegeben hat als irgendein anderes Volk.«
Fragt man aber denselben Mann nach einem ganz bestimmten Juden, zum Beispiel nach dem Chaim Zucker, dann kann es gut sein, dass er sagt: »Der Chaim Zucker? Ja, der Chaim Zucker, der ist wirk-
lich eine Ausnahme. Der ist ein unverschämter Egoist und dazu auch noch ein Ignorant, und zwar durch und durch.«
Fremdsprachen
Blau und Grün schlendern schlechtgelaunt durch ihre Heimatstadt Moskau. An einer Straßenkreuzung werden sie von einem japanischen Touristen in fast akzentfreiem Russisch nach dem Weg zum Roten Platz gefragt. Da sie keine Lust zum Antworten haben, schütteln sie missmutig den Kopf. Der Japaner wiederholt die Frage in Englisch. Wieder schütteln beide den Kopf. Jetzt fragt er in Französisch. Und wieder schütteln sie nur den Kopf. Darauf wendet sich der Japaner enttäuscht ab. Sagt Blau: »Der konnte aber viele Fremdsprachen!« Darauf Grün: »Na und? Hat es ihm etwas genützt?«
Regierungsbeauftragte rügt evangelische Kirche
EKD will Verfahren in Landeskirchen vergleichbar gestalten
Die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung sieht Defizite im Umgang mit Missbrauchsfällen in der evangelischen Kirche. Die Verfahren seien uneinheitlich und zum Teil auch nachteilig für Betroffene. Die EKD will die Verfahren angleichen.
Die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Kerstin Claus, hat den Umgang mit Fällen sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche als unzureichend kritisiert. "Noch immer gibt es auch regional Regelungen, wonach Betroffene, die Anerkennungszahlungen beantragen, nicht nur die Taten plausibel machen, sondern auch das institutionelle Versagen nachweisen sollen", sagte sie der Düsseldorfer "Rheinischen Post" (Dienstag). Das müsse dringend geändert werden. Die Evangelische Kirche Deutschlands (EKD) verwies auf Anfrage des Evangelischen Pressedienstes auf die Musterordnung aus dem Jahr 2021, die das Ziel verfolge, die Anerkennungsverfahren in allen 20 evangelischen Landeskirchen vergleichbar zu gestalten. In dieser Musterordnung gebe es ausdrücklich keine Beweislast für die Betroffenen.
Große Unterschiede unter den Landeskirchen
Claus kritisierte, dass die Landeskirchen noch immer sehr unterschiedlich vorgingen. So gebe es in der evangelischen Kirche kein übergeordnetes System für Anerkennungszahlungen, wie das bei der katholischen Kirche der Fall ist. Stattdessen unterschieden sich die Musterordnungen der Landeskirchen weiterhin, sagte Claus. Es gebe Landeskirchen, die bei den pauschalen Auszahlungsbeträgen für Betroffene in Höhe von 5.000 Euro geblieben seien.
Die EKD erklärte, bereits 2020 hätten Landeskirchen, die bislang pauschale Anerkennungsleistungen ausgezahlt haben, damit begonnen, auf individuelle Leistungen umzustellen. Betroffene, die in der Vergangenheit eine Pauschalleistung erhalten haben und jetzt eine höhere individuelle Leistung erhalten könnten, seien informiert worden.
Die Höhe der Anerkennungsleistungen sei einheitlich in einem grundsätzlichen Rahmen zwischen 5.000 und 50.000 Euro festgelegt worden, anders als in der katholischen Kirche, wo in Einzelfällen auch Zahlungen über 50.000 Euro ausgezahlt werden.
EKD plant Studie zum Herbst
Claus betonte, die evangelische Kirche könne "einiges von der katholischen Kirche lernen", die nicht zuletzt wegen des öffentlichen Drucks und des Engagements von Betroffenen ein so umfassendes System der Anerkennungsleistungen entwickelt habe.
Eine Sprecherin der EKD erklärte, derzeit werde weiter am Thema der Anerkennungsleistungen gearbeitet. Es sei absehbar, dass die Musterordnung nicht der letzte Schritt in diesem Prozess der Vereinheitlichung und Verbesserung sein werde.
Quelle: chrismon.de 01.08.2023
WAHR UND UNWAHR? Fiktionalität und Wahrheit in den Jesusgeschichten
Menschen begegnen biblischen Erzählungen häufig mit einer dualistischen Haltung: Ist das Geschilderte wahr oder (nur) erfunden? Hat diese Person wirklich gelebt? Konnte Jesus wirklich übers Wasser gehen? War der Autor dabei, als das Erzählte geschehen sein soll? Der Wahrheitsgehalt der Texte wird an der Übereinstimmung mit der Wirklichkeit gemessen. Texte, in denen keine Durchbrechungen der Alltagserfahrungen begegnen, werden meistens akzeptiert bzw. nicht weiter hinterfragt. Desto mehr man sich aber mit der Bibel beschäftigt, je dringender und grundsätzlicher wird für viele Menschen die „Wahrheitsfrage“. Wird eine Religion unglaubwürdig, wenn sie sich auf erzählte Ereignisse beruft, die nach den Maßstäben des naturwissenschaftlich geprägten Wirklichkeitsverständnisses so nicht stattgefunden haben können? Muss man das alles glauben, um wirklich und ernsthaft Christ zu sein? Ist es nicht unehrlich, sich als Christ zu bezeichnen, wenn man viele Texte nur symbolisch oder historisch versteht? Sind die bibeltreuen Fundamentalisten nicht authentischer, wenn sie alles für wahr halten? n Darf mich ein Text religiös ergreifen, den ich historisch für unwahr erachte?
Die Konfrontation der eigenen Glaubensvorstellungen mit diesen Fragen bezeugt den Wunsch nach persönlicher Authentizität. Man versteht sich nicht als „Papierchrist“, man ist nicht einfach Teil einer Glaubensgemeinschaft, weil man in sie hineingetauft wurde. Vielmehr legt man dadurch sich selbst gegenüber darüber Rechenschaft ab, ob man von den biblischen Inhalten auch wirklich überzeugt ist. Diese kritische Haltung ist unbedingt ernst zu nehmen. Wie bezeichnet man etwas, dass wohl so nicht stattgefunden hat, aber dennoch erzählt wird? Ist es eine Erfindung, die Unwahrheit, eine Lüge, eine Fälschung? Wurde bewusst die Unwahrheit geschrieben oder dient die Erfindung als Kompensation der Unkenntnis? In allen diesen Bezeichnungen steckt immer eine Wertung. Biblische Erzählungen sind allerdings nicht einfach Abbildungen vergangener Wirklichkeit. Sie sind erzählte Erinnerung mit einer identitätsstiftenden Funktion für die damaligen und gegenwertigen Leser. Die Wahrheitsfrage ist letztlich eine Glaubensfrage. „Manche Dinge sind schlicht nur im Glauben erfahrbar“, so hat es der große Theologe Karl Barth einmal formuliert. Daher ist es von großer Bedeutung, vor einer Beschäftigung mit Bibeltexten den christlichen Glaubensbegriff zu klären.
Glaube als das wirksame Vertrauen auf Gottes befreiendes Heilshandeln, das in vollmächtiger Weise durch seinen Sohn Jesus Christus repräsentiert und über den Kreuzestod hinaus realisiert wurde, ist nicht zu verwechseln mit einem Fürwahrhalten von historischen Tatsachen. Der Wahrheitsbegriff der Bibel ist nicht wertfrei, messbar oder rational fassbar. Eine befreiende Wahrheit (Joh 8,32) ist eine spezielle wertebasierte Deutung der Wirklichkeit, die sich nicht einfach auf historische Ereignisse zurückführen und an deren Fakten messen lässt. Die Evangelien sind literarische Werke. Sie sind nicht einfach eine Sammlung von Jesustexten, sondern sie folgen jeweils individuellen Erzählstrategien. Die Verfasser müssen als eigenständiger Denker ernst genommen werden, auch wenn sie allesamt anonym sind. Die Evangelien sprechen Wahrheiten aus, die sich in toto nicht nach naturwissenschaftlichen Kriterien überprüfen lassen. Ihre befreiende Wahrheit war, ist und bleibt die zeitliche wie personale Nähe der Herrschaft Gottes in Jesus Christus.
Nehmen wir mal die Berufungsgeschichten der Jünger in den Evangelien. Da sie auf den ersten Blick unproblematisch erscheinen, eignen sie sich in besonderer Weise dafür, Menschen die neutestamentliche Erzähltechnik verständlich zu machen. Die Berufungsgeschichten sind erstaunlich, bemerkenswert, vielleicht sensationell, aber „Wunder“geschichten sind sie nicht. Sie entsprechen durchaus dem heutigen Wirklichkeitsverständnis. Die Texte beruhen auf reale Begebenheiten und es ist historisch gänzlich unwahrscheinlich, dass sie als Ganzes eine Erfindung der Evangelisten sind. Jeder Christ wusste, dass Jesus Jünger berufen hat, und dass sich unter diesen Erstberufenen Personen befanden, die später wichtige Funktionen für die frühe Kirche hatten. Die Berufungsgeschichten schildern einen besonderen Eindruck, den Jesus bei seinen ersten Anhängern hinterlassen hat. Sie sind die erste öffentliche Inszenierung der Kernbotschaft Jesu: „Die Zeit ist reif, Gottes Herrschaft steht vor der Tür. Kehrt also um und glaubt, wie es das Evangelium will.“ (Mk 1,15)
Die ersten Schüler verlassen wie Jesus ihre vertraute Welt mit Beziehungen und Verantwortungen. Sie waren keine Suchenden und Verlassenen, sie haben sich bewusst für ein neues Leben mit Jesus entschieden. Insofern kann man die Jüngerberufungen vielleicht als den identitätsstiftenden Mythos der Jesusbewegung bezeichnen. In der Reaktion der ersten Jünger auf den Ruf Jesu bewahrheitet sich der Anspruch des Gottgesandten. Im Gegensatz zu menschlicher Macht, die sich auf göttliche Legitimation beruft, ist Gottes Macht, die durch den Menschensohn Jesus repräsentiert wird, menschlich und realisiert sich in der Zuwendung zu den Mitmenschen. Die Inszenierungen dieser Vollmacht sind Krankenheilungen, Dämonenaustreibungen, Lehre, Zeichenhandlungen. Jesus hat eine Bewegung angestoßen, deren Wirkungen für die damaligen Leser der Evangelien genauso spürbar sind wie für die heutigen Leserinnen und Leser. Kreuz und Auferstehung bilden das zentrale Deutungsmuster für die heilsgeschichtliche Relevanz Jesu. Man kann die Evangelien aber auch vom Anfang lesen. Die Jüngerberufungen werden dadurch zur Leseanweisung des gesamten Evangeliums.
Unsere Events im Monat September
Der Morgensegen Martin Luthers
Das walte Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist! Amen.
Ich danke dir, mein himmlischer Vater, durch Jesus Christus, deinen lieben Sohn,
dass du mich diese Nacht vor allem Schaden und Gefahr behütet hast,
und bitte dich, du wollest mich diesen Tag auch behüten vor Sünden und allem Übel,
dass dir all mein Tun und Leben gefalle.
Denn ich befehle mich, meinen Leib und Seele und alles in deine Hände.
Dein heiliger Engel sei mit mir, dass der böse Feind keine Macht an mir finde.