Im Apostolikum, im gemeinsam gesprochenen Glaubensbekenntnis, sprechen wir immer wieder auch die Zeile “Ich glaube an die Gemeinschaft der Heiligen“. Was ist damit eigentlich genau gemeint?
Auf Basis des historisch-kritischen Zugangs zur Heiligen Schrift geht man auch aus protestantischer Sicht davon aus, das es die in der röm.-kath. Kirche als Heilige verehrten, gegeben hat. Aufgrund ihres Herausragens aus der Christenheit sind oft Belege ihrer historischen Existenz in Briefen, historischen Abhandlungen, durch Hinweise in den Evangelien oder weiterer Schriften aller Art zu finden. Daher umfasst der Begriff “Gemeinschaft der Heiligen” selbstredend auch diese Männer und Frauen.
Die christliche Theologie unterscheidet gemäß der sachlichen und terminologischen Klärung des Zweiten Konzils von Nicaea (787) die Anbetung (griechisch: λατρεια, latreia - lateinisch: adoratio), die allein Gott vorbehalten ist, von der Verehrung (griechisch: δουλεια, duleia - lateinisch: veneratio), die den Heiligen und ihren Reliquien zukommt. Deshalb ist die sogenannte Verehrung (duleia) grundsätzlich von der Anbetung (latreia) zu unterscheiden. Im Katholizismus wird innerhalb der duleia, der Verehrung, noch die hyperduleia („Hochverehrung“) unterschieden, die ausschließlich der Jungfrau Maria zukommt.
Glauben Protestanten also auch an St. Bartholomäus, St. Blasius oder die vierzehn Nothelfer?
Die Reformation brachte deutliche Kritik an der damals vorherrschenden Heiligenverehrung hervor. Eine Rolle der Heiligen als direkte Mittler des Erbetenen wurde mit Verweis auf die Bibel strikt abgelehnt. "Denn es ist ein Gott und ein Mittler zwischen Gott und den Menschen, nämlich der Mensch Christus Jesus" [1.Tim 2,5] und die Einzigartigkeit der Heilsmittlerschaft Christi wieder in den Vordergrund gerückt. Was heißt das? Wir müssen uns über die Bedeutung des Wortes „glauben“ im Klaren sein. Protestanten “glauben” nicht an St. Bartholomäus, St. Christophorus oder die vierzehn Nothelfer. Für mich als Lutheraner wird je nach Quellenlage der historischen Belege deutlich, ob ein als Heiliger verehrter existiert hat. Die Anerkennung der historischen Existenz ist dann unproblematisch. Nach der theologischen Festigung des Luthertums wurde in der Pflege des Gedächtnisses verschiedener altkirchlicher Heiliger auch keine Gefahr mehr gesehen. Im Augsburger Bekenntnis [Confessio Augustana, 1530], der ersten offiziellen Darstellung von Lehre und Praxis der Wittenberger Reformation, wurde das Heiligengedächtnis als Moment der persönlichen Stärkung im Glauben befürwortet und anerkannt. Im Jahr 1563 legte das Konzil von Trient die römisch-katholische Dogmatik in der Frage der Heiligenverehrung wie folgt fest: Da die Heiligen im Himmel mit Christus herrschten, sei es „gut und nützlich“, sie demütig um Beistand anzurufen, um von Gott durch den alleinigen Erlöser und Heiland Jesus Christus Wohltaten zu erlangen. Ziel der Heiligenverehrung war folglich Gott und nicht der Heilige selbst. Das Zweite vatikanische Konzil (1962-65) bestätigte diese Lehre und verwies nochmals darauf, dass die Fürbitte der Heiligen bei Gott nicht „heilskonstitutiv“ wie die hohepriesterliche Mittlerfunktion Christi sei.
Im Gegensatz zu den lutherisch geprägten Protestanten lehnten die Reformierten die Heiligenverehrung insgesamt ab. Zwingli und Calvin sahen in Wallfahrten und Reliquienverehrung ein Werk des Satans und betonten die Gültigkeit des alttestamentlichen Bilderverbotes, gegen das die Heiligenverehrung verstoße.
Die Akzeptanz der historischen Existenz oder der teils bemerkenswerten Wirkungsgeschichte der Heiligen bedeutet aber keinesfalls, das ich als Protestant an die Heiligen “glaube”. Ich glaube an den allmächtigen Gott, den Schöpfer des Himmels und der Erden. Ich glaube an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn. Ich glaube an den Heiligen Geist. Ich glaube an die weltweite Gemeinschaft der Heiligen. Ich glaube an die Vergebung der Sünden. Ich glaube an die Auferweckung der Toten und das ewige Leben. AMEN!