Die Bücher der Bibel - Teil 2
14.06.2024 Das Alte Testament - Vom Buch Esra bis zum Buch Daniel
Das Buch Esra - Esra
Die Bücher Esra und Nehemia gehörten ursprünglich zusammen, wurden später aber geteilt. Zudem sind sie nur dann richtig zu verstehen, wenn man die heutige Abfolge der Kapitel verändert. In hebräischen Bibeln erfolgte erst seit 1448 eine Trennung der Bücher. Das Esra/Nehemia-Buch ist die einzige biblische Quelle für die frühe nachexilische Zeit und daher von hoher historischer Bedeutung, zumal auch alte Textstücke verarbeitet wurden. Doch ist nicht zu verkennen, dass die Darstellung oft typisiert. So ist beispielsweise der Konflikt mit den Samaritanern überzeichnet worden (Esr 4). Die Darstellung der inneren Konflikte der Gemeinde in Jerusalem, so die Stellung der Rückwanderer, die Frage der Mischehen und die ökonomischen Probleme, ist im Grundsatz sicher historisch zutreffend. Auch im Esrabuch finden sich aramäische Textstücke (Esr 4,8-6,18; 7,12-26), die wohl älter sind als die hebräischen Texte, selbst wenn dieser Komplex bereits überarbeitet wurde.
Die Entstehung des Buches ist nicht sicher datierbar, man nimmt das 4. vorchristliche Jahrhundert an. Im Esra/Nehemia-Buch wurden verschiedene Listen (Esr 2) und Urkunden (Esr 6,3-5; 7,12-26) verarbeitet, dazu Stoffe, die mit Serubbabel und Scheschbazzar verbunden waren, Esra-Stoffe und die sog. Nehemia-Denkschrift (Neh 1-7.12-13).
Datierung Esras:
Kyrus-Edikt, Rückkehr, Tempelneubau (1-6)
Esras Zug nach Jerusalem (7-8)
Esra verliest das Gesetz des Himmelsgottes, Laubhüttenfest (in Nehemia 8-9)
Mischehenproblematik, Esras Gebet (9-10)
Voraussetzung für die Annahme, dass Esra unter dem Perserkönig Artaxerxes I. (464–425) tätig war, seine Mission also vor der des Nehemia stattgefunden hat. Danach entsteht das Bild, dass zunächst das Kyrusedikt von Darius in Kraft gesetzt und der Tempel erbaut wurde (Esr 1-6). Darauf wird der Priester Esra mit dem Gesetz nach Jerusalem gesandt, dies wird geschildert wie ein zweiter Exodus (Esr 7f.). Das Volk wird auf dieses Gesetz verpflichtet. Esra wird daher im Judentum mit Mose verglichen (Esr 7,1-5: Esra gilt als Nachkomme Aarons); durch die Einführung der Tora habe er die Religion des Judentums begründet.
Das Buch Esra (“Hilfe”) knüpft unmittelbar an das in 2.Chr 36 berichtete Edikt des persischen Königs Kyrus an, das die Rückkehr der Juden nach Juda und Jerusalem erlaubte. Es berichtet von der Rückkehr einer ersten Schar von Juden unter Serubbabel (dem Statthalter und Nachkommen Davids) und Jeschua (dem ersten Hohenpriester nach der Rückkehr), die gegen den Widerstand heidnischer Gegner und unter inneren Anfechtungen (die damals wirkenden Propheten Haggai und Sacharja) den Tempel in Jerusalem wieder aufbauten (1-6). Danach wird die Rückkehr des Priesters und Schriftgelehrten Esra mit einigen Juden geschildert, die einige Jahrzehnte nach dem Tempelbau erfolgte (7-10).
Das Buch Nehemia - Nechemjah
Nach der Sicherstellung von Kultus und Tora kommt Nehemia nach Israel, um die äußere Sicherheit Jerusalems durch den Mauerbau zu erreichen (1-7) und um kultische und soziale Missstände zu beheben (11-13). Nehemia war ursprünglich Mundschenk des Perserkönigs Artaxerxes I. in Susa, in Jerusalem stellt er sich als Statthalter vor (Neh 5,14).
Die Geschichtsdarstellung wird demnach auf die zwei Personen Esra (aram: „Hilfe“) und Nehemia (hb. „JHWH hat getröstet“) konzentriert. Im Hintergrund steht aber immer auch die wohlwollende persische Großmacht, die der Jerusalemer Gemeinde Schutz bietet. Das Kyrus-Edikt wird zweimal angeführt (Esr 1,1-3; 6,3-5), der Erlass des Artaxerxes, mit dem Esra legitimiert wird, erscheint als Originaldokument (Esr 7,12ff.), allerdings ist strittig, ob das Edikt des Kyros tatsächlich so erlassen worden ist. Charakteristisch ist zudem die in diesen Büchern häufige Gottesbezeichnung „Gott des Himmels“ für JHWH. Diese Benennung konnten auch die Perser für ihre oberste Gottheit Ahura Mazda verwenden. Selbst wenn man gewiss immer wusste, dass iranische und israelitische Religion nicht deckungsgleich waren, hat man doch die Nähen betont, um die Situation der israelitischen Gemeinde zu verbessern.
Dabei erlebt der Prophet den hartnäckigen Widerstand von Seiten der Heiden, aber auch einiger führender Juden. Nehemia erweist sich als weiser Vorsteher, der die anderen ermutigt und mahnt und das Werk trotz Schwierigkeiten zu Ende führt. Doch einige Jahre später zeigte sich, dass das Volk und seine Führer wieder zurückgefallen waren und neue Missstände aufkamen, gegen die sich Nehemia energisch stemmte.
Gliederung Nehemias:
Nehemias Mission, Ich-Bericht (1,1-2,10)
Beginn des Aufbaus der Stadtmauer (2,11-4,17)
Soziale Spannungen (5,1-19)
Fortsetzung des Aufbaus (6,1-7,4)
Bundeserneuerung (7,5-72a)
Gesetzesverlesung und Laubhüttenfest (7,72b-8,18)
Bußgottesdienst mit Nehemias Bußgebet (9,1-31)
Die Verpflichtung auf das Gesetz (Bundesdokument) (10,1-40)
Besiedelung von Stadt und Hinterland; Listen (11,1-36)
Genealogie des Kultpersonals (12,1-26
Einweihung der Mauer (12,27-43)
Versorgung des Kultpersonals (12,44-47)
Allgemeiner Ausschluss von Nichtisraeliten (13,1-3)
Reinigung des Kultes von Korruption durch fremde Einflüsse (13,4-14)
Befolgung des Sabbats in der Stadt durch Abriegelung (13,15-22)
Missbilligung der Mischehen (13-23-29)
Zusammenfassung und Schlussbitte Nehemias (13,30-31)
Das Buch Esther - Megillot Ester
Das Buch Esther (persisch = “Stern”, nach 2,7 lautet Esters hebräischer Name Hadassa [הֲדַסָּה] „Myrte“) beschließt im Kanon der protestantischen Bibeln den Teil Geschichtsbücher. Die LXX (Septuaginta*) und in der Folge die Vulgata und katholische Bibelübersetzungen haben dann noch die apokryphen/deuterokanonischen Schriften Judit, Tobit und die zwei Makkabäerbücher. In der hebräischen Bibel gehört Ester zu den Schriften und steht zwischen den Klageliedern und Daniel (wohl wegen der historischen Bezugnahmen).
Nach den Angaben des Buches spielt die Handlung in den Tagen des achämenidischen (persischen) Grosskönigs und ägyptischen Pharaos Xerxes I. [אֲחַשְׁוֵרוֹשׁ], also 486-465 v. Chr.; im Altpersischen bedeutet sein Name [𐎧𐏁𐎹𐎠𐎼𐏁𐎠] „Über Helden herrschend“. Die Handlung spielt aber sicher eher zwischen dem 3.-2. Jh. In 2.Makk 15,36 ist für das 2.-1. Jh. v. Chr. ein Mordechaitag belegt, das Purim-Fest muss also zu dieser Zeit schon begangen worden sein.
Das Buch spielt in der königlichen Residenz des persischen Großkönigs in Susa. Es erzählt die Rettung der gesamten Judenheit durch den Mut der jüdischen Königin Ester und ihres Ziehvaters Mordechai. Ähnlich wie die ersten Kapitel des Danielbuches zeigt es, dass das Leben der Juden in der Diaspora gefährlich ist, dass aber die Treue zum traditionellen Glauben die Rettung bringt. Daneben steht das Motiv, dass die persische Herrschaft letztlich durch den Einsatz der Juden innerhalb der Bevölkerung gestützt und befestigt wird. Die Aufnahme des Esterbuches in den Kanon war offensichtlich lange umstritten, wohl vor allem deshalb, weil in ihm von Gott nicht die Rede ist.
Gliederung des Esterbuches
Ester wird Frau des persischen Großkönigs Ahasveros/Xerxes I. (1-2)
Esters Vormund Mordechai deckt eine Verschwörung gegen den König auf (2,19-23)
Der persische Beamte Haman erreicht ein königliches Dekret, die Juden auszurotten (3)
Mordechai bittet Ester um Fürbitte beim König (4)
Ester erreicht beim König die Rettung der Juden, Haman wird an dem Pfahl aufgehängt, der für Mordechai vorgesehen war (5-8)
Rache der Juden an ihren Feinden, Stiftung des Purimfestes und Festlegung des Termins (9-10)
* Die Septuaginta (lateinisch für siebzig, koinegriechisch ἡ μετάφρασις τῶν ἑβδομήκοντα hē metaphrasis tōn hebdomēkonta‚ “Die Übersetzung der Siebzig”, Abkürzung LXX), auch griechisches Altes Testament genannt, ist die älteste durchgehende Übersetzung der hebräisch-aramäischen Bibel in die altgriechische Umgangssprache Koine. Die Übersetzung entstand ab etwa 250 v. Chr. im hellenistischen Judentum, vorwiegend in Alexandria. Die meisten Bücher waren bis etwa 100 v. Chr. übersetzt, die restlichen Bücher folgten bis 100 n. Chr.
Das Buch Hiob - Ijjob
Der NameHiob bedeutet (nach dem Akkadischen) „Wo ist der Vater“ oder auch “Der Angefeindete”. Mit dem Buch Hiob beginnen die in dichterischer Form niedergeschriebenen Weisheitsschriften des AT. Wichtig ist die Erkenntnis, dass das Hiobbuch aus einer Rahmenhandlung und dahinein gestellten Reden in Versform (Poesie) besteht. Prolog und Epilog sind dagegen in Prosa verfasst. Man muss davon ausgehen, dass der wesentlich umfangreichere Dialogteil später in die ältere Rahmenhandlung eingefügt wurden.
Hiob erscheint hier als der urzeitlich Fromme, der auch in Ez 14,14.20 zusammen mit Noach und Daniel erwähnt wird. Besonders durch das nicht weiter bekannte Land Uz wird der Verdacht erhärtet, dass es sich bei diesen drei Gestalten um außerisraelitische Fromme handeln soll. Das Alter der vorliegenden weisheitlichen Erzählung ist sehr umstritten. Die Erwähnung des Satans in Sach 3 und die Nähe der Erzählweise zur Josefsnovelle und dem Buch Jona weisen aber darauf hin, dass die Teile in nachexilischer Zeit entstanden sind. Es ist auch gut denkbar, dass die Erzählung auf eine ältere Legende zurückgreift, die nicht schriftlich erhalten ist.
Aufbau des Buches
Exposition: Hiobs Frömmigkeit und Glück (1,1-5)
1. Himmelsszene: Satan bezweifelt Hiobs Uneigennützigkeit.
JHWH erlaubt ihm, Ijobs ganzen Besitz anzutasten (1,6-12)Hiob verliert Vieh und Kinder, ohne sich gegen JHWH aufzulehnen (1,13-23)
2. Himmelsszene: Satan bezweifelt weiter Ijobs Frömmigkeit. JHWH erlaubt ihm, Hiob mit Krankheit zu schlagen, ohne ihn zu töten (2,1-7a)
Hiob wird mit Geschwüren geschlagen und von seiner Frau zum Verfluchen JHWHs aufgefordert. Er hält an seiner Frömmigkeit fest. (2,7b-10)
Drei Freunde besuchen Hiob, um ihn zu trösten. (2,11-13)
Monolog: Hiobs Klage (3)
Dialoge der drei Freunde mit Hiob (4-28)
Monolog: Hiob fordert Gott heraus (29-31)
Vier Reden Elihus (32-37)
Zwei Reden JHWHs und Antworten Hiobs (38-42,1-6)
JHWH urteilt über die drei Freunde (42,7-9)
JHWH rechtfertigt Hiob und stellt sein Glück wieder her (42,10-17)
Krise der theologischen Weisheit
Das Problem, um das es im Hiobbuch geht, ist die Krise der früheren Überzeugung, gutes Handeln sorge für ein gutes Leben, die Frevler dagegen gingen zugrunde (Ps 1). Bisher wurden Krankheit und Leid als Strafe für Sünde oder Vergehen angesehen, diese Strafe sollte zur Umkehr auf den gerechten Weg führen. Dieser Zusammenhang von Tun und Ergehen wurde dann aber den Menschen fraglich, immer öfter schien es so zu sein, dass es den Sündern gut gehe, die Gerechten aber leiden (Theodizee-Frage). In dieser Krise der israelitischen Weisheit bemühte man sich um neue Lösungen. Dabei ist Hiob in den Reden als jemand zu verstehen, der alle möglichen Argumente gegen die bisherige Denkart sammelt. Seine Freunde dagegen versuchen, am Konsens der Weisen festzuhalten und den Anfragen Hiobs Überzeugendes entgegenzusetzen. Sie gehen davon aus, dass Hiob in irgendeiner Weise doch Schuld auf sich geladen habe. Dabei befindet sich die Diskussion durchweg auf sehr hohem sprachlichen und theologischen Niveau. Das Bild vom klugen und allein im Recht stehenden Hiob, den seine unverständigen, übelwollenden Freunde angreifen, ist sicher unangemessen.
Dem Hiobbuch vergleichbare Texte sind auch aus Babylon und Ägypten bekannt. Das Problem des Leidens, dessen Sinn nicht erkennbar ist, war also schon damals ein internationales Phänomen. Es lohnt sich, die einzelnen Reden und Hiobs Antworten je für sich und in Ruhe zu lesen, um einen Eindruck von der Ernsthaftigkeit beider Seiten zu bekommen. Eine allen akzeptable Lösung kann das Hiobbuch letztlich nicht geben, den Argumenten Hiobs wird nicht widersprochen. Es bleibt bei der Erkenntnis, dass der Mensch keine Einsicht in Gottes Willen haben kann, es also Bereiche gibt, zu denen man nur Fragen äußern kann, schlüssige Antworten aber ausbleiben.
Das Buch der Psalmen - Sefer Tehillim
Der Name „Buch der Psalmen“ (gr. βίβλος ψαλμῶν, biblos psalmon) ist bereits im Neuen Testament (Apg 1,20) belegt, er stammt wohl aus der griechischen Textüberlieferung. Abgeleitet ist dieser Name von einem griechischen Saiteninstrument (ψαλτήριον, psaltērion), die Psalmen galten demnach als Lieder. In der hebräischen Tradition wird der Name סֵפֶר תְּהִלִּים, sefer tehillim, „Buch der Loblieder“ verwendet, abgeleitet von תְּהִלָּה, tehilla, “Preislied”. Innerhalb des Psalters (so wird das ganze Buch genannt) zählt man 150 Psalmen, doch auch in anderen biblischen Büchern lassen sich vergleichbare Lieder finden.
Die Frage, weshalb die einzelnen Psalmen zu einer solchen Sammlung zusammengestellt wurden, ist umstritten. Wahrscheinlich galten die Psalmen zur Zeit der Kanonisierung nicht als liturgisches Formular für die Liturgie des Zweiten Tempels. Sie dienten eher als Andachts- oder Erbauungsbuch, in bestimmten Kreisen sicher auch als prophetisch verstehbare Schriften. Dies wird auch durch den neutestamentlichen Befund unterstützt; hier werden die Psalmen am häufigsten von allen alttestamentlichen Schriften zitiert. Das ist bei einer Verwendung als Tempel-Gesangbuch schwer denkbar.
Das Alter der einzelnen Psalmen ist kaum sicher zu bestimmen, zumal Gebete oft alte Sprachformen bewahren, Einige Lieder sind wohl vorexilisch (Ps 24;29), was u. a. an religionsgeschichtlich alten Aussagen erkennbar ist. Andere sind gewiss exilisch, weil sie den Untergang des Tempels und das Exil erkennen lassen, (Ps 50;74;137). Die meisten Lieder sind wohl nachexilisch, wobei eine weitergehende Angabe, etwa über ältere Vorstufen, kaum möglich ist. Der Psalter ist bibelkundlich besonders schwer zu erfassen. Doch sind hier für die eigene Frömmigkeit sehr wichtige Texte gesammelt. Die Psalmen sprechen Lob, Hoffnung und Klage nicht nur für die damalige historische Situation aus, sondern sind offen für jede Gegenwart. Deshalb sollte man sich dem Buch vor allem durch eigene, wiederholte Lektüre nähern.
Nach 1.Chr 6,24-28;25,1ff. war z.B. Asaf Stammherr einer Gilde von Tempelsängern; auch die Korachiten waren nach 2.Chr 20,19 am Tempel als Sänger und Torhüter beschäftigt (1.Chr 26,1.19). Es ist anzunehmen, dass die Psalmen mit solchen Sängergilden in Zusammenhang stehen. Die Autorenschaft Davids ist sicherlich nicht historisch, hier wirkt die etwa in 1.Sam 16,14-23 belegte Tradition von David als Musiker nach.
Gattungen
Zur Orientierung im Psalter ist es notwendig, einige Psalmen zu kennen, die für bestimmte Gattungen oder Inhalte typisch sind, so
Klagelieder des Einzelnen (22;69)
Klagelieder des Volkes (44;60;90)
Lobpsalmen (30;114;136)
Vertrauenslieder (23)
Hymnen (8;100;113)
Königspsalmen (2;20;110)
Alphabetische Psalmen (9/10;119;145)
Zionslieder (46;48;76;84;87),
Weisheitliche Psalmen (73;133)
Schöpfungspsalmen (8;19a;104).
Die Sprüche Salomos - Mischle Schlomo
Die Sprüche Salomos (lat. proverbium = Sprichwort) wurden in der Septuaginta und den Folgeübersetzungen mit den beiden anderen Salomo zugeschriebenen Büchern Kohelet und Canticum Canticorum (“Lied der Lieder”) zusammengestellt und nach den Psalmen eingeordnet. Im hebräischen Kanon stehen die Sprüche [מִשְׁלֵי, mischle] separat nach dem Hiobbuch. Das Buch wurde Salomo zugeschrieben, weil ihm nach 1.Kön 3,12 ein „weises und verständiges Herz“ zu Eigen war. Laut 1.Kön 5,12 soll er 3000 Sprüche und 1005 Lieder gedichtet haben.
Das Proverbienbuch ist das wichtigste Zeugnis für die israelitische Weisheit. In ihm sind Stoffe aus sehr unterschiedlichen Zeiten und verschiedenen weisheitlichen Gattungen gesammelt. Im Unterschied zu Hiob oder dem Prediger geht es im Sprüchebuch nicht um die Krise der Weisheit. Im Gegenteil, hier werden weisheitliche Lebensregeln in dem Bewusstsein nebeneinander gestellt, dass nur durch ihre Befolgung rechtes Leben möglich ist. Nach 30,7-9 wird das Beachten der Regeln in direkte Verbindung mit der Gottesverehrung gebracht: „Damit ich nicht, arm geworden, stehle und mich vergreife an dem Namen meines Gottes!“ Die pädagogische Aktualität, die manche dieser Sprüche haben, zeigt sich darin, dass sie noch heute tradiert werden, zum Beispiel „Wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein“, 26,27; „Hochmut kommt vor dem Fall“, 16,18; „wie du mir, so ich dir“, 24,29. Allerdings ist auch festzuhalten, dass die Sprüche oft ein überholtes Weltbild voraussetzen. In ihm ist z. B. das Unterrichten von Mädchen nicht vorgesehen, als Ideal gilt die treue Hausfrau. Die Erziehung setzte damals auf Härte: „Züchtige deinen Sohn, so wird er dich erquicken und dir Freude machen.“ (29,17)
Das Proverbienbuch ist bibelkundlich kaum zu erfassen. Das Alter der einzelnen Sammlungen und Einzelsprüche ist kaum zu bestimmen, deutlich ist nur, dass die Kapitel 1-9 nachexilisch sind. In 8,22-31 wird die Autorität der Weisheit damit begründet, dass sie als erstes der Werke Gottes, noch vor aller anderen Schöpfung, entstanden sei. Damals spielte sie vor Gott (30). Damit soll programmatisch deutlich werden, dass die in der Sammlung zusammengestellten Weisungen Bestandteil der Schöpfung, der Ordnung der Welt sind. Inhaltlich geht es in den Gedichten um Mahnungen vor Ehebruch, Trunksucht, Frevel und Faulheit.
Übersicht über das Proverbienbuch
Lehrgedichte/Reden (1-9)
Einzelsprüche und Lebensregeln (10-22,16)
„Worte von Weisen“ (22,17-24,22)
Anhang: „Auch diese sind von Weisen“ (24,23-34)
„Sprüche Salomos, gesammelt von den Männern Hiskijas“ (25-29)
Worte Agurs: Reflexionen eines Einzelnen und Gebet (30,1-14)
Zahlensprüche (30,15-33)
Mahnungen an den König Lemuël (Königsregel) (31,1-9)
Lob der klugen Hausfrau (31,10-31)
Das Buch Prediger - Kohelet
Das Buch Kohelet wurde wie das der Sprüche dem König Salomo zugeschrieben, obgleich es außer dem „Sohn Davids“ als Verfasserangabe in 1,1 und verschiedenen Andeutungen (1,12.16) keinen Hinweis auf eine solche Autorschaft gibt. Der Verfasser wird 1,1 als [קֹהֶלֶת, Kohelet = Versammlungsleiter] bezeichnet, was Martin Luther als „Prediger“ übersetzte. In der griechischen Übersetzung findet sich die ebenfalls als Name des Buches verwendete Übersetzung ἐκκλησιαστής, ekklēsiastēs. Das Buch Kohelet gehört zu den fünf Megillot; es ist die Festrolle für das Laubhüttenfest, in dem die Freude am Leben und an der Tora als rechter Weisung zum Ausdruck kommen. Diese Lebensfreude spricht auch aus wichtigen Passagen des Predigerbuches.
Entstehungszeit
Als Entstehungszeit des Buches kann das 4. oder 3. vorchristliche Jahrhundert angenommen werden. Darauf deuten zum einen die Sprache, zum anderen auch die besondere Thematik hin, die mit der des Hiobbuches vergleichbar ist. Auch hier spiegelt sich die Krise der herkömmlichen Weisheit, deren Sinn nicht mehr einleuchtet (Theodizee-Frage, Tun-Ergehen-Zusammenhang). Wahrscheinlich sind in dem Buch auch Elemente der Auseinandersetzung mit hellenistischer Philosophie zu finden.
Gliederung
Das Buch lässt sich kaum sinnvoll gliedern, da es aus vielen lose aneinandergereihten Einzelstücken besteht, deren Ordnungsprinzipien oder Gedankenfortschritte heute nicht immer klar erkennbar sind. Erschwerend kommt hinzu, dass oft auch Gegenpositionen zitiert werden, so dass nicht immer deutlich ist, was des Predigers eigene Meinung ist. Möglicherweise dienten die wiederholten Formeln „alles ist eitel, Haschen nach Wind“ der Abtrennung von einzelnen Argumentationsgruppen.
Inhalt
In Kapitel 1-2 wird deutlich, dass der Autor eine Ausbildung in der herkömmlichen Weisheit genossen hat, dass ihm aber nach eigenem Nachdenken alles eitel oder nichtig geworden ist. Denn: „der Weise stirbt (genauso) wie der Tor“ (2,16). Das üblicherweise mit „eitel, nichtig“ übersetzte Wort הֶבֶל, hebel, bedeutet einen Windhauch oder einen Atemzug; es steht symbolisch für die Vergänglichkeit. Zwar gibt es Gott, und der Prediger zweifelt seine Allmacht nicht an (3,14), aber „alles hat seine Zeit“ (3,1-8), ist dem Menschen unverfügbar. Diese Erkenntnis führt zur Resignation, nicht, wie bei Hiob, zum Aufbegehren gegen das unzugängliche Wesen Gottes. Der Mensch kann Gottes Handeln nicht durchschauen, er kann sich ihm nur fügen und versuchen, aus dem, was Gott gegeben hat, das Beste für sich selbst zu machen: „Da merkte ich, dass es unter ihnen nichts Besseres gibt, als fröhlich zu sein und es gut zu haben im Leben“ (3,12). Dabei ruft der Prediger aber zur Ehrfurcht gegen Gott auf (4,17-5,6), nicht etwa zu einem zügellosen Hedonismus.
Ein besonderes Motiv des Buches ist die Todesthematik. Der Prediger geht davon aus, dass der Tod endgültiges Ende des Lebens ist, die flüchtigen Tage des Daseins auf der Erde sollen genossen werden (9,7-10). Eine Auferstehungshoffnung scheint dem Verfasser (noch) nicht bekannt zu sein. In 11,9-12,7 werden junge Menschen dazu aufgerufen, in ihrer Jugend das Leben als gute Gabe Gottes zu genießen; die Beschwerden des Alterns werden allegorisch dargestellt: „Die Hüter des Hauses (= die Beine) zittern“, „die Müller (= Zähne) sind wenige geworden, „der Mandelbaum (= das weiße Haar) steht in Blüte“.
Nachträge
12,9-11.12-14 trägt in zwei Epilogen weisheitliche Sentenzen nach. Möglicherweise wurde das Buch nur wegen dieser Nachträge in den Kanon aufgenommen. Sein Haupttext läßt nahezu alle Bezüge zum klassisch-theologischen Traditionsgut Israels vermissen; besonders auffällig ist das Fehlen der Tora-Thematik.
Das Hohelied Salomos - Schir Ha-Schirim
Auch das „Lied der Lieder“ [שִׁיר הַשִּׁירִים] wird dem König Salomo zugeschrieben, da Salomo oder zumindest ein König an verschiedenen Stellen genannt wird (1,4;8,11). Es gehört ebenfalls zu den fünf Megillot und wurde dem Passafest zugeordnet, weil sich im Auszug aus Ägypten, an den zu Passa erinnert wird, die Liebe Gottes zu seinem Volk in besonderer Weise gezeigt hat.
Deutung
Die Zugehörigkeit des Buches zum Kanon war lange umstritten, es wurde aber aufgenommen, weil man die beschriebene Liebe zwischen Mann und Frau allegorisch auf die Beziehung zwischen Gott und Israel deutete. Der Gottesname wird allerdings nur an einer Stelle (8,6) abgekürzt erwähnt, sonst finden sich im Buch keine expliziten Verweise auf Gott. Auch die klassischen Themen der alttestamentlichen Überlieferung fehlen weitestgehend. Die christliche Kirche übernahm die allegorische Interpretation und deutete sie auf das Verhältnis von Christus zu seiner Kirche um. Doch noch im ersten nachchristlichen Jahrhundert wurde nach rabbinischer Überlieferung das Lied in Wirtshäusern gesungen, also ganz buchstäblich als Liebeslied verstanden. Im NT wird nicht auf das Hohelied Bezug genommen, in Qumran sind allerdings Handschriftenfragmente belegt.
Inhalt
Das Hohelied ist eine Sammlung von ca. 30 einzelnen Liebesliedern, die zu einem Dialog zwischen Frau und Mann komponiert wurden. Dabei steht die Frau offenkundig im Mittelpunkt, ihre Lieder eröffnen und beschließen die Sammlung, von ihr geht die Initiative zur Liebe aus. Manche Ausleger nehmen daher an, dass es sich um einen Monolog der Frau handele, in dem die Rede des Geliebten zitiert wird. Angesprochen sind die Töchter Jerusalems, denen die Erlebnisse der Beziehung geschildert werden. Es mag sein, dass die Lieder ursprünglich bei Hochzeiten oder Banketten gesungen worden sind; ähnliches ist aus Ägypten bekannt. Man hat auch versucht, in der Sammlung ein Textbuch für ein Singspiel oder Drama zu sehen. Es ist nicht recht erkennbar, nach welchen Kriterien die Texte aneinandergereiht wurden.
Alter
Das Alter des Buches ist kaum zu bestimmen. Wahrscheinlich sind hier ältere Liedstücke gesammelt, die ihrerseits auch außerisraelitische Wurzeln haben können. Die endgültige Zusammenfassung und Komposition ist in nachexilischer Zeit erfolgt.
Das Buch des Propheten Jesaja - Jeschajahu
Jesaja oder Jeschaiah ben Amoz, [ישעיהו בן אמוץ] war der erste große Schriftprophet der hebräischen Bibel. Grundlegend für die Erarbeitung des Jesaja-Buches ist die Erkenntnis, dass das Buch aus verschiedenen Sammlungen besteht, die an- und ineinander gefügt wurden. Diese Erkenntnis stützt sich darauf, dass einzelne Abschnitte in ihrer Sprache, ihrer Thematik und ihren historischen Verankerungen sehr unterschiedlich sind. In der älteren Forschung hat man drei große Buchteile unterschieden. Nur für den ersten Teil ist der Name des Autors, nämlich Jesaja „JHWH hat geholfen“, bekannt. Für die anderen Teile behilft sich die Forschung mit den Bezeichnungen Deutero- und Tritojesaja, zweiter/dritter Jesaja. In jüngerer Zeit geht man von deutlich komplexeren Wachstumsprozessen aus, etwa dass Deutero- und Tritojesaja nicht als eigenständige Schriften, sondern als Bearbeitungen des ersten Jesaja anzusehen sind. Da die klassische Dreiteilung die Orientierung erleichtert, wird ihr hier der Vorzug gegeben.
Eine bibelkundliche Orientierung ist bei den prophetischen Büchern generell sehr schwierig, da uns die Gliederungsprinzipien, nach denen sie aufgebaut wurden, nicht mehr unmittelbar einleuchten. Man wird sich daher darauf zu beschränken haben, wichtige Einzeltexte zuordnen zu können und eine Grobgliederung im Kopf zu haben.
Im ersten Teil des Jesaja-Buches wird dies dadurch erleichtert, dass man vier Phasen der Wirksamkeit des Propheten unterscheiden kann, die alle mit wichtigen Textkomplexen zu verbinden sind. Jesaja, Sohn eines Amoz, stammt aus Jerusalem und hatte, wie einzelne Texte zeigen, Zugang zum Königshof. Er ist als Vertreter einer städtischen Oberschicht anzusehen, verheiratet war er mit einer Prophetin (8,3). Er selbst nennt sich nie Prophet, [נָבִיא nabi]. Seine Wirksamkeit reicht von etwa 740 (Jes 6,1, aber: Das Todesjahr des Königs Usija ist umstritten) bis zum Jahre 701. Die vier Hauptphasen der Wirksamkeit Jesajas sind im einzelnen:
1.Sozialkritische Periode, vor dem Jahr 734 v. Chr. (2;3;5)
2.Zeit des syrisch-efraimitischen Krieges, 734-732 (7-8)
3.Zeit der antiassyrischen Aufstände 721-711 (18;20)
4.Zeit der Aufstände unter Hiskija bis zur Belagerung Jerusalems 705-701 ( 28-31)
Hauptthemen
Innerhalb dessen, was von der Verkündigung des ersten Jesaja erhalten ist, lassen sich drei wichtige Themenkomplexe ausmachen, die man mit einigen ausgewählten Texten verbinden kann:
1. Restgedanke. Der Restgedanke, die Vorstellung, dass ein kleiner Teil des Volkes das Gericht überleben wird oder von JHWH übriggelassen wird. Dabei ist strittig, ob diese Vorstellung als negative Ansage (nur ein Rest wird übrigbleiben) oder letztlich als Heilsansage zu verstehen ist: Aus dem Rest entwickelt sich wieder ein vollgültiges Ganzes.
2. Zionstheologie. Jesaja gilt als einer der wichtigsten Vertreter der alttestamentlichen Zionstheologie. Jerusalem/der Zion ist Ort der Gegenwart Gottes („Präsenztheologie“), nicht etwa der Wohnsitz Gottes. Aus dieser besonderen Nähe rührt einerseits eine besondere Verpflichtung der Bewohner, sich dieser Präsenz Gottes würdig zu zeigen, andererseits auch eine besondere Zuwendung JHWHs, der die Vernichtung Zions nicht zulassen wird. (Vgl. die Zionspsalmen 46,48,76,84,87)
3. Glauben. Ein in der Wirkungsgeschichte wichtiges Motiv ist die Vorstellung Jesajas, dass das Volk JHWH zu glauben habe: „Wer an ihn glaubt, wird nicht zuschanden werden“. Dabei ist im Unterschied zum heutigen Verständnis wichtig, dass es nicht um den Glauben an etwas geht, sondern eher um ein unbedingtes Vertrauen auf die Heilsmacht Gottes, dies zum Beispiel im Gegenüber zum König Ahas, der sich lieber auf politische Bündnisse verlassen will.
Grobgliederung des Protojesaja
Worte an Israel (1-11)
Bericht über Jesaja (6-8)
späteres Danklied/Heilswort (12)
Worte gegen fremde Völker (13-23)
Jesaja-Apokalypse (24-27)
Der "assyrische Zyklus” (28-31)
Das kommende Friedensreich (32)
spätere eschatologische Kapitel (33-35)
Jesaja-Erzählungen (36-39)
Das Deuterojesajabuch
Im Unterschied zum ersten Jesaja setzen die Kapitel 40-55 voraus, dass die früher angesagte Katastrophe bereits eingetreten ist, viel mehr noch: die Zeit ist nun reif für eine grundsätzliche Wende zum Guten. Diese Kapitel sind demnach deutlich später entstanden, sie setzen die Situation des Exils voraus und verweisen bereits auf den Perserkönig Kyrus, der dem neubabylonischen Reich, das Jerusalem zerstört hatte, das Ende bereiten wird. Die Rückwanderung der Exulanten nach Israel wird nur erwartet, nicht als geschehen beschrieben, daher ist ein Kernbestand der Texte wohl vor 539 v. Chr. entstanden, wahrscheinlich in Babylonien. Es ist möglich, dass „Deuterojesaja“ nicht ein einzelner Autor war, sondern dass eine Schule von Propheten hinter diesen Texten steht.
Die Gottesknechtslieder
Die wichtigste Textgruppe des ganzen Buches ist sicher die seit 1892 sogenannten Gottesknechtslieder. Diese Texte sind daher von den anderen abtrennbar, weil sie einen vergleichbaren Sprachstil haben und prononciert von einem Knecht JHWHs handeln, der offenbar eine sehr bestimmte Aufgabe im Heilsplan Gottes hat. Die Lieder sind ihrerseits offenbar nachträglich erweitert worden, daher die teilweise uneinheitlichen Abgrenzungen. Die Gründe, weshalb die Lieder in den jeweiligen Textzusammenhang eingefügt wurden, sind unklar, auch ob sie untereinander wirklich zusammengehören. Im ersten Lied redet Gott zum Knecht (Berufung?), das zweite und dritte ist in der ersten Person formuliert. Im dritten Lied ist allerdings gar nicht vom „Knecht“ die Rede. Im letzten spricht die Gemeinde, gerahmt wieder von Worten Gottes über den Knecht. Es ist außerordentlich umstritten, wer mit diesem Knecht gemeint ist. Ist ein Einzelner angesprochen, evtl. sogar „Deuterojesaja“ selbst? Oder ist Israel gemeint (die sogenannte kollektive Deutung)? Für beide Deutungen gibt es Parallelstellen aus dem ganzen AT. Teilweise werden auch beide Deutungen kombiniert, gemeint sei eine besondere Gruppe in Israel.
Vier Gottesknechtslieder
Hoheit und Armseligkeit des Knechtes 42,1-4(-7,-9?)
Der Knecht wird zum Licht der Völker 49,1-6(-7,-13?)
Klage des Beters - "Er weckt mich alle Morgen" 50,4-9(+10f.?)
Der leidende Gottesknecht (52,13-53,12)
Das Tritojesajabuch
Entstehung
Der dritte Teil des Jesaja-Buches ist eine Zusammenstellung von Texten, die wohl auf mehrere Autoren zurückgehen. Wahrscheinlich sind sie eine Sammlung von unterschiedlichen Ansätzen zur Auslegung des bisherigen Buches Jesaja. Dabei ist umstritten, ob die Worte jemals mündlich vorgetragen wurden oder von vorneherein als schriftliche Buchtexte entstanden sind.
Inhalt
Einigkeit besteht bei aller Verschiedenheit der Texte darin, dass die Worte das Ende des Exils und die Rückkehr von Verbannten nach Israel voraussetzen. Allerdings ist der Überschwang, der noch DtJes auszeichnete, verloren gegangen. Man ist ernüchtert von der Realität, die an den Heilszusagen der früheren Propheten gemessen wird. Wieder wird die Antwort auf die Probleme darin gefunden, dass das Volk sich versündigt habe. Diese Schuld halte das Kommen des Heils auf. Dennoch wird die künftige Verherrlichung Jerusalems angesagt: „Mache dich auf, werde licht, denn dein Licht kommt und die Herrlichkeit des Herrn strahlt auf über dir“ (60,1).
Das Buch Jeremia - Jirmejahu
Jeremia, “Der Herr gründet/erhöht” oder Jeremiah ben Hilkijahu [יִרְמְיָהוּ בֶּן־חִלְקִיָּהוּ], “Jeremia Sohn des Hilkijahu”, ist einer der großen Schriftpropheten des Tanach. Seit dem Mittelalter wird das Buch in 52 Kapitel unterteilt. Traditionell gilt Jeremia auch als Verfasser der Klagelieder Jeremias
Verschiedene Teile des Buches von Jeremia lassen sich der Form nach klar unterscheiden. Zum einen handelt es sich um Prophetenworte Jeremias, zumeist formuliert aus der Perspektive Jeremias, davon sind einzelne Sprüche in Reimform, dann gibt es psalmenartige Abschnitte und zum anderen gibt es eingeschobene Erzählungen und Berichte über Jeremia und sein Auftreten, formuliert in der dritten Person.
Kapitel 1–10 enthält die Berufung Jeremias als Prophet und Gerichtsworte. Ein Teil davon ist die Tempelrede in Kapitel 7 und die Götzenpolemik in Kapitel 10 (vgl. Jes 44).
Kapitel 11–20 enthält Klagen und Gerichtsworte. Markante Teile davon sind die Konfessionen Jeremias. Sie thematisieren die Einsamkeit des Propheten, der darum Gott anklagt. Einprägsam sind auch die zahlreichen Zeichenhandlungen Jeremias: Der verdorbene Gürtel in Kapitel 13 und der zerschmetterte Krug in Kapitel 19.
Kapitel 21–24 enthält Worte an die Führenden: Jerusalem wird zerstört werden!
In Kapitel 25 folgt die Ansage des 70-jährigen Exils
Kapitel 26–29 enthält einen ersten Erzähltext über das Schicksal Jeremias. Hier wird Jeremia im Konflikt mit anderen Propheten gezeigt, u. a. dem Hofpropheten Hananja.
In Kapitel 30–35 folgen Heilsworte. Die Rede vom Neuen Bund in Kapitel 31 wird verdeutlicht durch den Ackerkauf in Anatot in Kapitel 32. Dies soll zeigen, dass Israel jenseits der bevorstehenden Zerstörung Jerusalems eine Zukunft hat.
Kapitel 36–45 enthält einen zweiten Erzähltext, der das Schicksal Jeremias im belagerten Jerusalem erklärt. Hier steht Jeremia im Konflikt mit dem letzten König Judas Zidkija. Nach der Eroberung Jerusalems in Kapitel 39 und der Ermordung des Statthalters Gedalja in Kapitel 41, der von den Babyloniern eingesetzt wurde, flieht er in Kapitel 43 nach Ägypten. Seine letzte Zeichenhandlung in Ägypten kündigt die Eroberung Ägyptens durch die Babylonier an.
Kapitel 46–51 enthält Prophetenworte gegen fremde Völker. Kapitel 51 kündigt einen Vernichtungskrieg gegen die Babylonier an.
Das Buch endet in Kapitel 52 mit dem Bericht über die Zerstörung Jerusalems und die Begnadigung Jojachins (vgl. 2.Kön 24f).
Die Klagelieder Jeremias - Echa
Die Klagelieder Jeremias, Echa = “Ach!”, bisweilen auch als Jeremiaden oder Buch der Klagelieder bezeichnet, sind ein Buch des Tanach, das aus fünf Gedichten besteht. Im Alten Testament der Bibel sind sie in der Ordnung vorverlegt, schon nach dem Propheten Jeremia.
In den Klageliedern wird die Zerstörung Jerusalems und des Salomonischen Tempels 586 v. Chr. beklagt. Die Fakten des Geschehens sind in 2.Kön 25 und Jer 52 beschrieben. Von diesem Inhalt her bietet sich ein Entstehungszeitraum zwischen 586 und 530 an. Auffälligstes Merkmal ist die Personifikation Jerusalems als „Tochter Zion“, klagende Mutter, vergewaltigte und entehrte Geliebte und verlassene Witwe. Diese Elemente weisen darauf hin, dass möglicherweise eine Gattung altorientalischer Stadtklage Vorbild für die Abfassung dieser Texte war. Es finden sich folgende Klageelemente: Schilderung des Zustands, Einzelklagen der „Frau Jerusalem“, Klagen des Volkes, Die Not unter dem Gericht, Die Ursache des Elends und Die Schuldannahme.
Das Buch Hesekiel - Jeheske’el
Der Prophet Ezechiel [יְחֶזְקֵאל], „Gott möge kräftigen“, war ein Priester, der mit der ersten Verbannung 597 nach Babylon deportiert wurde und dort von 593 bis ca. 571 gewirkt hat. Seine Verkündigung ist nach Sprache und Inhalt sehr typisch, zu charakterisieren als theologia gloriae: Ezechiel schreibt, um die Herrlichkeit Gottes zu verkünden. Die typischen Merkmale sind auch von Ezechiels Schülern, die für die Komposition des Buches verantwortlich waren, beibehalten worden. Der Umfang der späteren Zufügungen ist erneut umstritten. Die Sprache Ezechiels ist eindeutig priesterlich und steht der Priesterschrift des Pentateuch nahe, er selbst ist wohl bei Gottesdiensten unter den Exulanten aufgetreten (1,3), so dass er möglicherweise ursprünglich Kultprophet war. Wie auch Jesaja und Jeremia warnte er vor Aufstandsbewegungen gegen die Babylonier (Jesaja: gegen die Assyrer), 21,28-30. Ähnlich dem deuteronomistischen Geschichtswerk versteht Ezechiel das Exil als verdiente Strafe für den Abfall Israels zu anderen Göttern (8).
Gliederung
Die Gliederung des Ezechielbuches ist sehr einfach nachzuvollziehen; hier ist das schon bei Jeremia angesprochene Aufbauschema Unheil über Israel-Unheil über die Fremdvölker-Heil über Israel klar erkennbar. Die Worte scheinen auch, zumindest in groben Zügen, die ursprüngliche chronologische Reihenfolge bewahrt zu haben, so dass sich von der Berufung bis zu den Heilsworten ein historisch sinnvolles Gefälle ergibt.
Übersicht über das Ezechielbuch
Unheilsworte über Israel/Juda (1-24)
Unheilsworte über Fremdvölker (25-32)
Heilsworte nach der Zerstörung Jerusalems (33-39)
Das neue Jerusalem (40-48)
Vision
Kap. 10 sieht Ezechiel erneut den Thronwagen und die Herrlichkeit [כָּבוֹד kabod] JHWHs. Die vier Tiergesichter, die Ezechiel in Vers 14 sieht, stammen aus dem assyrisch-babylonischen Vorstellungskreis, wo sie bestimmte Götter bezeichneten. Sie wurden in der christlichen Tradition auf die Evangelisten gedeutet: Mensch: Matthäus (Nebo/Nabu; Stammbaum Jesu), Löwe: Markus (Nergal; Wüstenpredigt), Stier (aus 1,10): Lukas (Marduk; Opfer des Zacharias), Adler: Johannes (Ninurta; Geist).
Gerichtsworte
Die in 12-24 gesammeln Gerichtsworte über Jerusalem und Juda sind so vielfältig, dass eine übersichtliche Gliederung kaum möglich ist.
Geschichtsrückblicke
Bedeutsam sind dann die Geschichtsrückblicke in den Kapiteln 16;20;23 (Jerusalem, die Hure; Geschichte des Abfalls Israels; das Gleichnis der Schwestern Ohola und Oholiba = Samaria und Jerusalem). In diesen Stücken zeigt sich die Überzeugung, dass die Sünde in Israel ständig angewachsen ist, alles drängt damit auf das kommende Strafhandeln Gottes zu. Es zeigt sich aber auch, dass mittlerweile in Israel ein umfassendes Geschichtsbewusstsein ausgebildet wurde. Die oberflächlich sichtbare Reihung von Einzelereignissen kann nun auf einen übergeschichtlichen, göttlichen Sinn hin transparent gemacht werden.
Kap. 18 stellt in diesen Horizont eine neue Perspektive: Ezechiel geht aus von dem Sprichwort „Die Väter haben saure Trauben gegessen, und den Kindern werden die Zähne pelzig“, mit dem im Volk der Zusammenhang zwischen früherer Schuld und aktueller Bestrafung hinterfragt wird. Dagegen wird angesagt, dass diese Perspektive mit dem Fall Jerusalems nicht mehr gilt. Eine Epoche ist damit abgeschlossen, nun steht jede Generation für sich selbst vor Gott: „Darum will ich einen jeden von euch nach seinem Wandel richten“, 18,30. Damit ist ein wichtiger Schritt zur Individualisierung der Heilserwartungen getan.
Verfassungsentwurf
Kapitel 40-48 stellen Höhepunkt und Abschluss des Buches dar. Ezechiel sieht visionär den neuen Tempel in Jerusalem und den Wiedereinzug der Herrlichkeit JHWHs in dieses neue Heiligtum (43). Der Kultus wird neu geordnet (44-46) und das Land wird neu verteilt werden (47-48). Interessant an diesem Verfassungsentwurf des Ezechiel ist, dass er keinen König über Israel mehr vorsieht, nur noch einen Fürsten. Damit ist die prophetische Kritik am Königtum aufgenommen worden.
Theologie
Ein wichtiger Einzelaspekt innerhalb des gesamten Buches ist die Anrede Gottes an den Propheten „Menschensohn/Menschenkind“ (2,1;33,2;36,1), die wohl den Abstand zwischen Gott und Mensch ausdrücken soll und so viel wie „Sterblicher“ meint. Sie hat nichts zu tun mit dem im NT gebrauchten Hoheitstitel „Menschensohn“ für Jesus, der in der Zeit des hellenistischen Judentums aus Dan 7 abgeleitet wurde. Zweiter wichtiger Aspekt ist die häufige Verwendung (80mal) der sogenannten Erkenntnisaussage: „Ihr werdet erkennen [ידע, jada], dass ich JHWH bin“. Diese Erkenntnis Gottes geschieht durch geschichtliche Ereignisse, die JHWH über Israel und die Völker bringen wird. Auch hier geht es darum, die Geschichte als von Gott und nur von Gott gewirkt verstehbar zu machen. Beide Aspekte betonen auf ihre Art die theozentrische Zuspitzung in der Prophetie Ezechiels.
Das Buch Daniel - Daniel
Die Gestalt des Judäers Daniel [דָּנִיּאֵל], “Gott richtet”, der im Jahre 597 mit drei Freunden durch Nebukadnezzars Truppen nach Babylonien deportiert wurde, ist das durchgängige Element der im Danielbuch erhaltenen Stoffe. Wie Hiob und Noach wird Daniel in Ez 14,14.20 als Gerechter der Vorzeit erwähnt, nach Ez 28,3 eignete ihm zudem besondere Weisheit. Vor allem dieser letzte Aspekt ist im Danielbuch präsent: Daniel ist der, der Träume zu entschlüsseln vermag und dem die Geschichte der Endzeit enthüllt wird. Dabei wird Daniel teilweise der Gestalt des weisen Josef am Hofe des ägyptischen Pharaos nachgebildet.
Gliederung
Das Danielbuch zerfällt in zwei deutlich zu unterscheidende Teile: Legenden und Visionen. Zudem ist das Buch zweisprachig, Kapitel 1,1-2,4a und 8-12 sind hebräisch, der Rest aramäisch geschrieben. Es ist zu vermuten, dass Kap. 1 ursprünglich ebenfalls aramäisch war und später in das Hebräische übersetzt wurde.
Daniellegenden (kursiv = aramäisch)
Daniel und die drei Freunde am Königshof (1)
Der Traum von der Statue auf „tönernen Füßen“ (2)
Die drei Männer im Feuerofen (3)
NebukadnezarsTraum, seine Deutung und Erfüllung (4)
Belschazzars Gastmahl (5)
Daniel in der Löwengrube (7-12)
Visionen
Die vier Tiere und der Menschensohn (7)
Ziegenbock und Widder (8)
Die Deutung der 70 Jahre Jeremias (Jer25,11 f.)
Die Geschichte von Alexander dem Großen bis zur Heilszeit (10-12)
Apokalypse
Der Gattung nach ist das Danielbuch eine Apokalypse und steht damit den Texten Jesaja 24-27, Deutero- und Tritosacharja nahe. Die Stoffe und Gliedgattungen werden in einer Apokalypse auf das eine Ziel angeordnet, geheimes Wissen über die Endzeit zu enthüllen (gr. ἀποκαλύπτω, apokalyptō, “offenbaren,aufdecken”). Es geht also nicht mehr nur um ein einzelnes in der Zukunft liegendes Ereignis, sondern um eine Gesamtsicht der kommenden Ereignisse bis zum Beginn des neuen Aion*. Damit sollen vor allem die Zustände der Gegenwart begreiflich werden. Zu dem Zweck kommen sowohl prophetische wie auch weisheitliche Traditionen zusammen. Ein Deuteengel, (lat. angelus interpres), vermittelt hier das entscheidende Wissen.
Wachstum des Buches
Das Wachstum des Danielbuches hat man sich so vorzustellen, dass ältere Legenden von dem prototypisch weisen und frommen Daniel (erzählt in der 3. Person) um die Visionen Daniels (Ich-Bericht, 1. Person) erweitert wurden. Dabei bleibt die Fiktion erhalten, dass der exilische Daniel auch Seher der Ereignisse war, die sich in der Gegenwart der Hörer/Leser abspielen. Diese Gegenwart lässt sich anhand der Angaben des Buches sehr genau datieren, es handelt sich um die Zeit des makkabäischen Aufstands gegen die Seleukiden im 2. Jahrhundert. Da das Danielbuch die Wiederweihung des Tempels im Jahre 164 v. Chr. nicht erwähnt, ist es offenkundig kurz vor diesem Datum abgeschlossen worden. Später wurde es um die Gebete der Männer im Feuerofen (Kap. 3) und die Geschichten von Susanna und Bel et Draco (13-14) erweitert. Diese Stücke gehören zum Kanon der Septuaginta und der katholischen Kirche.
Geschichtsbild
Dem Danielbuch geht es um die Frage nach der gerechten Herrschaft. Der entsprechende Begriff [מַלְכוּת, malkut], steht im Zentrum. Der Herrschaft der Menschen wird die gewiss kommende Herrschaft Gottes gegenübergestellt – erst sie wird wahrhaft das Heil bringen. Die Apokalyptik erwartet also innerhalb der Geschichte kein Heil mehr, es bedarf der grundsätzlichen Zeitenwende. So wird verständlich, weshalb die Makkabäer, die ja in Wirklichkeit die Befreiung von den Seleukiden brachten, in 11,34 nur als „kleine Hilfe“ bezeichnet werden.
* Äon oder Aion (von altgr. ὁ αἰών, ho aion) ist ein Begriff der antiken und spätantiken Philosophie und Religion und kann sich auf das individuelle “Leben” oder die “Lebenszeit”, eine “sehr lange, unbegrenzte Zeit”, ein “Zeitalter” oder auch “die Ewigkeit” beziehen.