Vom ersten Schofarton an Rosch Haschana bis zum letzten begeisterten Tanz an Simchat Tora ist Tischrei die ereignisreichste Zeit im jüdischen Jahr – der Monat der Stärke. Die Feiertage im jüdischen Monat Tischrei sind mehr als nur eine Erinnerung an die Vergangenheit.
Simchat Tora ist der letzte der jüdischen Feiertage, die mit dem Laubhüttenfest (Sukkot) beginnen. In orthodoxen und konservativen Gemeinden der Diaspora wird er als zweiter Tag des Schemini-Azeret-Festes im September oder Oktober gefeiert – in Israel und in denjenigen Reformgemeinden, wo Schemini Azeret nur einen Tag dauert, gleichzeitig mit Schemini Azeret. Simchat Tora erfreut sich auch bei weniger religiösen Juden, vor allem bei Familien mit Kindern, großer Beliebtheit. Am Simchat Tora wird der Zyklus der Toralesungen erneut begonnen. Mit der letzten Parascha (Perikope) aus Devarim (5. Buch Mose) endet der alte Zyklus und der neue Zyklus der Lesungen beginnt sogleich mit dem Text aus Bereschit (1. Buch Mose 1,1-1,3). Etwa gleichzeitig entstand der Brauch, die Torarollen in einer Prozession, Hakafot (Umzüge) genannt, durch die Synagoge zu tragen. Im 16. Jahrhundert wurde es üblich, am Abend des Festes alle Torarollen aus dem Toraschrank zu nehmen und um das Lesepult zu tragen. Heute werden die Torarollen von den Anwesenden in sieben Hakafot um das Lesepult und durch die Synagoge getragen. Seit der frühen Neuzeit wird dazu getanzt und gesungen, und die Hakafot können entsprechend lange dauern.
Mit dem Ausgang des Sukkot-Festes beginnt sofort ein zweitägiges Fest: Schmini Azeret und Simchat Tora. In Israel werden beide Feste am gleichen Tag gefeiert.
Es wird von einem König berichtet, der seine Söhne zu einem mehrtägigen Fest einlud. Als die Zeit des Abschieds kam, sagte der König: „Meine Söhne! Bitte, bleibt noch einen Tag länger bei mir, es fällt mir schwer euch Gehen zu sehen!“ (Midrasch)
Die Feiertagskerzen werden an beiden Nächten gezündet. An beiden Feiertagen wird vor jeder der vier prächtigen Hauptmahlzeiten der Kiddusch gesprochen: „Gepriesen seist du, Ewiger, unser Gott; du regierst die Welt. Du hast die Frucht des Weinstocks geschaffen“ (בָּרוּךְ אַתָּה ה׳ אֱלֹהֵינוּ מֶלֶךְ הָעוֹלָם בּוֹרֵא פְּרִי הַגָּפֶן, Baruch atta adonai, elohenu melech haOlam, bore pri haGafen). An diesen Tagen wird nicht gearbeitet, geschrieben und auch keine elektrischen Geräte benutzt; Kochen und Tragen sind erlaubt. Der Schwerpunkt von Simchat Tora liegt auf den Hakafot-Umzügen. Alle Torarollen werden aus dem Schrein herausgenommen und es wird mit ihnen in mehreren Runden in der Synagoge getanzt. Das geschieht zweimal, einmal bei Nacht und einmal bei Tag. Jeder männliche Jude erhält eine Alija, einen Aufruf zur Tora, selbst die Kinder. Hakafot sind Freudenereignisse, die man nicht verpassen sollte.