Anselm von Canterbury OSB (lateinisch: Anselmus Cantuariensis) wurde um um 1033 in Aosta geboren und starb am 21. April 1109 in Canterbury, England. Der Theologe, Erzbischof und herausragende Philosoph des Mittelalters, wird vielfach als Begründer der Scholastik) angesehen und ist Hauptrepräsentant der Frühscholastik. Seit 1720 trägt er den Ehrentitel “Kirchenlehrer”. Bei der Scholastik handelt es sich um ein von den logischen Schriften des Aristoteles ausgehendes Verfahren zur Klärung von Fragen mittels theoretischer Erwägungen, ausgehend von Prämissen („Voraussetzung, Annahme“). Dabei wird eine Behauptung untersucht, indem zuerst die für und die gegen sie sprechenden Argumente nacheinander dargelegt werden und dann eine Entscheidung über ihre Richtigkeit getroffen und begründet wird. Behauptungen werden widerlegt, indem sie entweder als unlogisch oder als Ergebnis einer begrifflichen Unklarheit erwiesen werden oder indem gezeigt wird, dass sie mit evidenten oder bereits bewiesenen Tatsachen unvereinbar sind.
Seine Eltern stammten aus verschiedenen Adelsfamilien, sein Vater Gundulf war langobardischer Abstammung, seine Mutter Ermenberga stammte aus Burgund und war sehr wahrscheinlich mit den Grafen von Savoyen verwandt. Mit 23 Jahren verließ Anselm seine Heimat und zog drei Jahre durch Frankreich, bis er, angezogen vom Ruhm Lanfrancs, zur Benediktiner-Abtei Le Bec kam. Schon drei Jahre später wurde er zum Prior gewählt, weitere 15 Jahre später zum Abt. In diese Zeit fallen auch seine ersten philosophischen und theologischen Werke, insbesondere seine beiden berühmten Schriften Monologion (Beweisbarkeit des Daseins Gottes) und Proslogion (erstes Werk der abendländischen Philosophie bzw. Philosophiegeschichte). Als Lanfranc, inzwischen Erzbischof von Canternury, 1089 starb, wurde Anselm von vielen als sein Nachfolger favorisiert, doch erst 1093 von William II. ins Amt gesetzt. In den nachfolgenden vier Jahren trugen die beiden als Vertreter der weltlichen und geistlichen Macht miteinander den Investiturstreit in England aus. Im Jahre 1097 bekam Anselm die Erlaubnis, Rom aufzusuchen, von wo er sich Hilfe erhoffte, die er jedoch nur in beschränktem Maße erhielt. Die Rückkehr nach England wurde ihm von William verweigert, weshalb Anselm von 1097 bis zu Williams Tod im Jahre 1100 in Lyon im Exil lebte. Unter dessen Nachfolger Henry I. konnte Anselm nach England zurückkehren, musste jedoch 1103 bis 1107 ein weiteres Mal ins Exil gehen. Nach England zurückgekehrt, starb er 1109. Anselm wurde 1494 heiliggesprochen und 1720 von Papst Clemens XI. zum Kirchenlehrer ernannt.
Anselm formulierte in der Vorrede zum Proslogion mit zwei vielzitierten Sätzen eine der Grundpositionen der Scholastik, mit der er das Verhältnis von Glaube und Vernunft bestimmt:
Fides queaerens intellectum – „Glaube, der nach Einsicht sucht“
Credo, ut intelligam – „Ich glaube, damit ich verstehe“
Nachhaltige Wirkung hatte zudem Anselms ontologischer Gottesbeweis. Ausgangspunkt des Argumentes ist der bei Augustinus entlehnte Satz, Gott sei „das, worüber hinaus Größeres nicht gedacht werden kann“ (aliquid quo maius nihil cogitari potest). Die Rekonstruktionen des Argumentes sind nicht einheitlich, der Grundgedanke ist jedoch folgender: wir können denken, dass etwas ist, über das Größeres nicht gedacht werden kann. Etwas, das sowohl im Geist (in intellectu) als auch in Wirklichkeit (in re) existiert, ist größer als etwas, das nur im Geiste ist. Wenn wir also etwas denken können, über das Größeres nicht gedacht werden kann, muss dieses auch in Wirklichkeit existieren (denn sonst wäre es etwas, über das Größeres gedacht werden kann).